Man stelle sich vor, jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit gehen einem Gedanken durch den Kopf wie „Was passiert heute auf der Arbeit?“, „Komme ich sicher durch meinen Tag?“, „Werde ich heute heil nach Hause kommen“, „Werde ich beleidigt oder tätlich angegriffen?“. Da macht sich Unsicherheit und Angst breit. Das ist keine gesunde Grundlage, um tagtäglich in seinen Arbeitstag zu starten. Wenn sich diese Befürchtungen auch noch bewahrheiten, ist das Leben eines Menschen nachhaltig geschädigt. Es geht um die Arbeit des Personals auf Zügen, Bussen und an den Schaltern. Es geht um Service und Interaktion für und mit Reisenden, Fahrkartenkontrolle und einen reibungslosen Ablauf im Verkehrssektor. Mit der romantischen Vorstellung vom Beruf des Schaffners aus früheren Zeiten hat die Realität oft nicht mehr viel zu tun. Heute ist das Berufsrisiko hoch. Es kommt immer häufiger zu verbalen und körperlichen Übergriffen, weil diese Menschen „einfach“ ihre Arbeit machen. Spießrutenlaufen statt menschliches Miteinander.
Das ist kein Schreckensszenario, das ist Realität. Nach einer Studie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG haben bereits 82% der Befragten einen verbalen oder körperlichen Übergriff erlebt, 64 % davon in den letzten 12 Monaten. Zwei Drittel der Kolleg*innen fühlen sich zur Zeit noch sicher. Das heißt aber auch, dass bereits bei einem Drittel die Angst ein täglicher Begleiter ist. Die Studie macht deutlich, dass das Sicherheitsempfinden in den letzten fünf Jahren alarmierend abgenommen hat. Dieser Zustand kann so nicht weiter bestehen bleiben. Es muss sich etwas ändern. Leider hat man den Eindruck, dass die Unternehmen diese Lage nicht so ernst nehmen, wie sie es sollten, auch wenn es zuletzt vereinzelt und nun im Vorfeld der EM einige Maßnahmen gibt, die in die richtige Richtung gehen.
mobifair unterstützt die Forderungen der EVG und ruft die Arbeitgeber auf, die Kolleg*innen nicht allein zu lassen und noch mehr zu tun. Es ist zwingend notwendig, das Sicherheitsniveau deutlich anzuheben. Dabei geht es nicht nur um Großereignisse, wie die anstehende Fußball-Europameisterschaft, sondern um den „normalen Alltag“, der schon eine große Belastung für die Beschäftigten darstellt. Bei außerordentlichen Ereignissen bedarf es weit größerer Anpassungen, in Zusammenarbeit mit der Polizei und unter Einbeziehung der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen. Die Sicherheit muss dauerhaft im Arbeitsalltag gewährleistet sein und darf nicht nach dem Großereignis wieder abnehmen. Die Forderungen nach einer grundsätzlichen Erhöhung der Zugbegleitquote auf 200%, d.h. Doppelbesetzung pro Zug(-teil), mehr zusätzliches Sicherheitspersonal und eine verbesserte technische Ausstattung (auch der KiN), etwa mit freiwillig einsetzbaren Bodycams oder Notfallwarngeräten (als Smartwatch, App o.Ä.). ist erforderlich. Wichtig ist aber auch, dass eine solche Ausstattung von den Aufgabenträgern ausdrücklich in den Ausschreibungen gefordert und somit die entstehenden Kosten übernommen werden. Es dürfen keine Wettbewerbsnachteile entstehen, wenn ein Unternehmen auf höhere Sicherheit setzt. Die Sicherheit der Beschäftigten und der Fahrgäste geht alle an und darf keine Frage des Geldes sein.
Da helfen auch keine Lippenbekenntnisse oder halbherzige Veränderungen mit begrenzter Laufzeit. mobifair macht deutlich: Wer es noch nicht verstanden hat, sollte sich persönlich vor Ort bei ein paar Schichten als Zugbegleiter*in oder Servicemitarbeiter*in ein Bild von der Situation machen. Vielleicht ändert sich ja dann etwas.