Zerschlagung der DB Cargo und von Fret SNCF stoppen!
Die obersten Wettbewerbshüter der Europäischen Union haben sich den Schutz des Wettbewerbs auf die Fahne geschrieben. Dahinter verblasst selbst der Klimaschutz! Derzeit ist es ihnen ein Dorn im Auge, dass die defizitären Unternehmen DB Cargo und Fret SNCF jeweils Geld vom Staat erhalten, um Güter zu transportieren. Doch wie ist es so weit gekommen?
Mit der Liberalisierung des Schienengüterverkehrs im Jahr 2007 begann der Run privater Unternehmen auf die lukrativen Verkehre im Schienengüterverkehr. Zwar gab es schon vorher zahlreiche Eisenbahnen im Güterverkehr, doch die fuhren als regionale oder lokale Bahnen eher im Werksverkehr. Besonders lukrativ für kleine Bahnen oder auch Kleinstunternehmen mit vielleicht ein oder zwei Lokomotiven und auch geliehenen Lokführern sind Ganzzüge, die von A nach B fahren. Hier gibt es nicht viel zu tun, Lok dran, Zug untersuchen (oder auch nicht, wie viele Zwischenfälle belegen) und dann geht es los. Oft wird dabei nicht einmal auf die Höchstarbeitszeiten geachtet und Ruhezeiten werden in schlechten Unterkünften oder als Fahrgast im Zug zum nächsten Auftrag verbracht. Gegen solche „Wettbewerber“ kommt ein Unternehmen mit Tarifvertrag und Betriebsräten nicht an und verliert Auftrag um Auftrag. Transport muss billig sein und die fetteste Rendite gibt es, wenn man sich nicht um faire Arbeitsbedingungen oder Ausbildungsstandards schert.
Die Gefahr aufzufallen ist hingegen niedrig. Das Eisenbahnbundesamt fühlt sich auch nach jahrelangen Meldungen durch mobifair nicht zuständig und verweist auf die Gewerbeaufsichtsämter. Lachhaft, denn ein kleines Unternehmen quer durch ganz Deutschland zu kontrollieren, ist praktisch unmöglich.
Praktisch ist, dass es auf den Loks nicht einmal digitale Tachographen gibt, die im gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 to. Pflicht sind. Wie einfach wären dann wohl die Kontrollen, insbesondere mit den smarten Tachographen der neuesten Generation, die bald in den Trucks auf europäischen Straßen eingebaut sein müssen. Die wären selbst bei der Durchfahrt an stationären Punkten auslesbar und damit wäre endlich eine flächendeckende Kontrolle aller Züge möglich. Doch dagegen wehrt sich die Branche. Es sei zu teuer, jede Lok mit einem solchen Tachographen auszustatten. Doch dass das gelogen ist muss nicht einmal erklärt werden. Doch die EU Kommission geht der Wirtschaft auf den Leim und verhindert bis heute eine solche Verpflichtung.
Was bleibt für DB Cargo?
Mit zahlreichen Gesetzesverstößen picken sich also viele kleine Privatunternehmen die Rosinen aus dem Kuchen. Dazu wird DB Cargo noch verhöhnt, denn die brauchen ja so viel mehr Lokführer, um Waren von A nach B zu bringen. Vielleicht liegt die Wahrheit darin, dass DB Cargo Fracht transportiert, die von den privaten Bahnen gemieden werden und die wesentlich mehr Know-How und Personal verlangen. Die Regel ist nicht, dass alle Güter eines Zuges den gleichen Absender und Empfänger haben. Für gesamthafte Transporte bis zum Ziel ist viel Logistik nötig und eine Infrastruktur, die ohne DB Cargo wohl nicht zu stemmen ist. Gleisanschlüsse, Güterverkehrszentren und Rangierbahnhöfe sorgen dafür, dass Waren abgeholt und bis zum Kunden gefahren werden. Von der Abholung bis zur Zustellung sind dabei zahlreiche Arbeits-, Rangier- und Ablaufvorgänge und Streckenfahrten nötig.
Wird DB Cargo auf Wunsch der EU Kommission zerschlagen, dann wird sich wohl niemand finden der bereit ist, diese Arbeiten zu übernehmen. Gefahren wird dann im schlimmsten Falle nur noch der Ganzzug, der Rest wandert auf die Straße.
In einem anderen Szenario wird dann doch wieder subventioniert. Denn auch in einem liberalisierten Europa gibt es eine Möglichkeit, mit öffentlichen Geldern nicht kostendeckende Leistungen zu bezuschussen. Die Lösung heißt Wettbewerb! Nach einer Zerschlagung von DB Cargo könnten subventionierte Einzelwagenverkehre ausgeschrieben werden und damit auch für Privatunternehmen interessant sein. Doch denen fehlt qualifiziertes Personal und die Struktur, um flächendeckend Verkehre zu organisieren. Das Interesse könnte also relativ gering sein. Sollten sich trotzdem große Investoren finden, z.B. für die Bewirtschaftung von Güterverkehrszentren, Rangierbahnhöfen o.ä. dann bleibt zu bedenken, dass auch solche Investoren ohne fette Renditen nicht anzulocken sind. Billiger wird es also für den Staat nicht, nur anders und vermutlich schlechter!
Was einmal weg ist kommt nicht wieder!
Insgesamt wird eine Zerschlagung der bestehenden großen Güterbahnen im Staatsbesitz nach unserer Auffassung bleibende Schäden hinterlassen und einmal zerstört, wird sich dieser Sektor auch nicht mehr erholen. EVG und Cargo-Betriebsräte rechnen mit dem Abbau von rund 1.800 Arbeitsplätzen. Doch wenn das ganze System des Einzelwagenverkehrs und des Rangierbetriebs für regionale Verkehre zusammenbricht, wird das wohl nur der Anfang sein. Es ist eine Schande, dass die europäische Politik und auch Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) das wichtigste Mittel für einen klimaneutralen Gütertransport dermaßen zerstören wollen, nur weil sie einem krankhaften Wettbewerbsfetisch hinterherjagen und dabei keine Ahnung vom System Eisenbahn haben.
Resultat wird neben der Zerstörung zahlreicher Arbeitsplätze bei DB Cargo auch ein deutlicher Anstieg der LKW Verkehre sein. Tausende an zusätzlichen Fahrten fallen täglich an, doch wer die dann fährt, und ob die deutschen Autobahnen und Brücken das noch aushalten, ist fraglich. LKW-Fahrer fehlen ebenfalls schon heute zu Tausenden und die Autobahnbrücken sind schon jetzt kaputt. Schlechte Aussichten für die Klimaziele und die vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen bei DB Cargo durch Dummheit und Ignoranz der Verantwortlichen in Brüssel und Berlin!
Ein Kommentar von Dirk Schlömer, Vorsitzender des mobifair-Vorstands