Unter dem neuen Namen „Treff.SchienenNah“ hat der jährliche Fachkongress des Bundesverbands SchienenNahverkehr (BSN) stattgefunden. Unter den über 420 Teilnehmer*innen aus der ganzen Eisenbahnwelt war auch mobifair vertreten und hat sich angehört, welche Themen die Branche und insbesondere die SPNV-Aufgabenträger derzeit bewegen. Schwerpunkte waren das Deutschlandticket, der Vertrieb der Zukunft, der Ausbau der sog. Hochleistungskorridore und der Wettbewerb in Zeiten massiv steigender Kosten.
Für Thomas Prechtl, den Präsidenten des BSN und Geschäftsführer der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), könne das Deutschlandticket den „Einstieg in eine völlig neue Tarifwelt“ bedeuten. Wie genau diese aussehen und funktionieren wird, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, auch hinsichtlich der langfristigen Finanzierung. Eine wichtige Rolle wird dabei aber die Digitalisierung des Vertriebs spielen. Dazu wurden die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter Fahrgästen und solchen, die den SPNV nicht nutzen, vorgestellt. Demnach ist die Akzeptanz digitaler Vertriebswege und Fahrscheine unter rund zwei Dritteln der Befragten bereits relativ hoch. Es zeigt sich aber auch, dass es noch Vorbehalte und praktische Probleme gibt, die unbedingt behoben werden müssen. Für mobifair ist wichtig: Es handelt sich beim öffentlichen Personenverkehr um einen Teil der Daseinsvorsorge, daher darf niemand wegen technischer Hürden ausgeschlossen werden. Der Vertrieb muss außerdem als mehr als nur Fahrkartenverkauf gedacht werden. Der Weg muss in Richtung Begleitung der gesamten Reisekette gehen, bei der Menschen als Ansprechpartner, Berater und Unterstützer dazugehören. Denn gerade bei Störungen, komplexen Reisewünschen und ungewohnten Situationen wollen viele Fahrgäste nach wie vor einen kompetenten menschlichen Ansprechpartner vorfinden. So gaben 59% der Befragten der Studie an, bei Bedarf auf Mitarbeitende vor Ort zuzugehen.
Beim Thema Wettbewerb sehen sich die Aufgabenträger, aber auch die EVU, vor großen Herausforderungen. So wurde diskutiert, wie der Wettbewerb trotz stark gestiegener Preise für Energie und Material sowie unter massivem Personalmangel aufrecht erhalten werden kann. Denn: Der Wettbewerb wird nach vor wie vor positiv gesehen. Vor diesem Hintergrund begrüßt mobifair die Forderung von Evelyn Palla, Vorstandsvorsitzende von DB Regio, nach branchenweit einheitlichen hohen Sozialstandards, Ausbildungsquoten, Personalübernahme bei Betreiberwechsel und Anpassungsklauseln bei unvorhersehbaren Ereignissen.
Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Netinera Deutschland, Jost Knebel, forderte die Aufgabenträger auf, auch künftig die Voraussetzungen für ein attraktives Wettbewerbsumfeld zu schaffen, in dem Chancen und Risiken in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Derzeit bewerben sich statistisch gesehen 1,8 EVU pro Ausschreibung. mobifair sieht die Aufgabenträger als Besteller der Leistungen in der Pflicht, zu hohe Risiken für die Unternehmen, aber insbesondere auch für die Beschäftigten abzufedern. Insolvenzen und teure Notergaben als Folgen eines Wettbewerbs um des Wettbewerbs willen nützen niemandem, stattdessen muss konsequent auf Qualität und Attraktivität für die Beschäftigten gesetzt werden.
Wenn der Präsident des BSN, Thomas Prechtl, sagt „eine Antriebswende ist nicht genug, wir brauchen einen Systemwechsel im Verkehr, bei dem der Mensch und seine Umwelt wieder im Fokus steht“, muss dies aus Sicht von mobifair insbesondere auch die Beschäftigten einschließen. Ohne sie wird es keine Verkehrswende geben – und sie fallen nicht vom Himmel. Es muss noch viel mehr unternommen werden, um die Branche attraktiver zu machen. Hier sind Aufgabenträger und EVU in der Pflicht.