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Finanzministerium blockiert Tariftreue bei Vergaben des Bundes

Still ist es zuletzt geworden um das im Koalitionsvertrag vorgesehene Bundestariftreuegesetz, seit im Mai 2023 ein erster interner Arbeitsentwurf („Non-Paper“) öffentlich geworden ist. Hinter den Kulissen wurde weiter daran gearbeitet und Anfang September 2024 gab es dann wieder Bewegung: Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat den beiden anderen beteiligten Ministerien einen Referentenentwurf zur Beratung vorgelegt. Jetzt hat das Finanzministerium unter Leitung von Christian Lindner (FDP) sein Veto eingelegt und das ganze Vorhaben in Frage gestellt.

Das Ministerium und die FDP geben damit aus Sicht von mobifair zu verstehen, dass sie eine deutliche Verbesserung der Bezahlung und der Beschäftigungsbedingungen für sehr viele Menschen nicht wollen und dass der Bund seiner Vorbildrolle bei der Auftragsvergabe nicht nachkommen soll. So klar will man das natürlich nicht sagen und schiebt stattdessen wieder das längst widerlegte Bürokratiemonster aus der Welt der liberalen Mythen und Sagen vor: Erst müssten Unternehmen an anderer Stelle von Bürokratie entlastet werden, bevor ihnen neue Lasten aufgebürdet würden. Faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen sind also anscheinend nur Belastungen für die Wirtschaft und den Staat, sonst nichts.

Christian Gebhardt, Projektleiter bei mobifair und dort u.a. für das Thema Tariftreue zuständig, findet klare Worte: „Eine solche Geisteshaltung verhöhnt die Leistungen der unzähligen Beschäftigten, die im Rahmen von öffentlichen Aufträgen zum Funktionieren des Staates und der Gesellschaft beitragen, und das alles im Rahmen eines weitgehend unregulierten Unterbietungswettbewerbs. Dafür können wir als mobifair keinerlei Verständnis haben.“

mobifair hat den bisherigen Entstehungsprozess des Bundestariftreuegesetzes immer konstruktiv begleitet. Die zwei wesentlich größeren Parteien der Regierung, SPD und GRÜNE, müssen nun alles daransetzen, dass dieses Vorhaben – eines der wichtigsten und weitreichendsten dieser Regierung – nicht kurz vor der Ziellinie am kleinsten Partner scheitert.

Darum geht es

Ohne das Veto des Finanzministeriums würde der Entwurf in Kürze in die Verbändeanhörung gehen und könnte noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Dieser enthält viele gute Ansätze und würde die Situation sehr vieler Menschen in Deutschland verbessern. Geplant ist u.a. eine umfangreiche Tariftreueregelung für die Vergabe öffentlicher Bau-, Dienst- und Lieferleistungen des Bundes (ähnlich wie im Saarland), die Geltung auch für Unternehmen im Eigentum des Staates (wie die Deutsche Bahn), stichprobenartige und anlassbezogene Kontrollen (auch nach Hinweisen Dritter) durch eine eigene Prüfstelle und die Generalunternehmerhaftung bei Subvergaben. Kurzum: Ein sehr großer und notwendiger Schritt voran für Tariftreue und Tarifbindung in Deutschland, die seit Jahren auf dem Weg nach unten ist.

Ebenfalls Teil des Gesetzespaketes, das jetzt insgesamt auf der Kippe steht, ist das Recht für Gewerkschaften, Zugang zum Betrieb über die dort verwendeten digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien zu erhalten. Dadurch würden die Möglichkeiten zur Mitgliederwerbung und -Information in Zeiten von mobilem Arbeiten deutlich erweitert. Ein dritter Teil schließt eine Lücke: Wenn innerhalb von Konzernen neue Betriebe ausgegründet werden, soll dort künftig der bisherige Tarifvertrag weitergelten, bis dieser ausläuft. Bisher kommt es hier zu einem Betriebsübergang mit allen Problemen und Einschränkungen.

Folgen für die Bundesländer?

Nicht erfasst vom Tariftreuegesetz wären übrigens die Vergaben im ÖPNV und SPNV, weil diese von den Ländern durchgeführt werden. Dennoch haben einige Länder das Gesetz mit Spannung erwartet, weil sie mit den Novellen ihrer eigenen Tariftreuegesetze auf den Bund warten wollten. An sie appelliert mobifair, sich durch dieses Trauerspiel nicht abbringen zu lassen, sondern jetzt entschlossen voranzugehen. Es gibt genügend gute Beispiele aus den Bundesländern, an denen man sich orientieren kann. Rechtssicher, praxisgerecht und wertschätzend für die Arbeit der Beschäftigten, und das sogar, ohne vom gefürchteten Bürokratiemonster verschlungen zu werden.