Verspätungen, Zugausfälle, Personalmangel und zu wenig Geld, das sind die derzeitigen Schlagworte im Nahverkehr auf der Schiene (SPNV). mobifair e. V., ein arbeitnehmernaher Verein, der sich schwerpunktmäßig mit einem fairen Wettbewerb in der Mobilitätswirtschaft beschäftigt, hat die derzeitige Situation im SPNV zum Anlass und die Branche unter die Lupe genommen. Der Bericht stellt den Erfolg des Wettbewerbs in diesem Sektor in Frage. „Vor 28 Jahren wurde der Markt liberalisiert. Damals hat man sich mehr Verkehr für weniger Geld versprochen. Ein Liberalisierungsmärchen, das sich nicht erfüllt hat.“ erklärt Dirk Schlömer, Vorsitzender des mobifair Vorstands. „Der Wettbewerb im SPNV ist im Grunde ausschließlich steuerfinanziert und die Unternehmenslandschaft ist weitaus kleiner als gedacht. Viele Marken gehören nur wenigen Unternehmen“.
Was Schlömer in dieser Kürze ausführt, hat mobifair e. V. ausführlich recherchiert. Die vier nennenswerten privaten Unternehmen verfügen danach über einen Marktanteil von zusammen rund 14 %. Zwei davon, BeNEX und National-Express sind britische Börsenunternehmen mit einem Kursverlust von jeweils rund 40 % in den letzten zwei Jahren, die ehemalige SNCF-Tochter Eurobahn sucht einen neuen Eigentümer. Go-Ahead, ehemals in Privateigentum, gehört mittlerweile den Österreichischen Bundesbahnen ÖBB und trägt nun den Namen Arverio. Allein die RATH-Gruppe steht als familiengeführtes und langsam gewachsenes Unternehmen mit einem Marktanteil von 2 % solide dar.
Alle anderen Bahnen inklusive der DB Regio AG gehören nach der Untersuchung von mobifair e. V. öffentlichen Eigentümern. „Der Wettbewerb wurde von Aufgabenträgern und Unternehmen lange schöngerechnet. Die rund 30 % Leistungssteigerung seit 1996 wurden teuer erkauft. Es wurde auf Verschleiß gefahren, beim Material, bei der Infrastruktur, bei den Beschäftigten und selbst beim Ertrag der Unternehmen. „Es dauert lange, bis die Mängel flächendeckend so sichtbar werden, aber jetzt stehen die Menschen auf den Bahnsteigen und die Züge kommen nicht.“ stellt Dirk Schlömer fest. mobifair fordert hier ein grundsätzliches Umdenken „Wir sollten uns die Länder zum Vorbild nehmen, in denen die Bahn funktioniert, wie die Schweiz und Österreich“, erklärt Reiner Bieck, Vorsitzender des mobifair Präsidiums. „Unsere Kolleginnen und Kollegen in allen SPNV-Unternehmen wollen gute Leistung erbringen, aber dafür müssen dann auch die Rahmenbedingungen stimmen. Darüber brauchen wir einen ehrlichen Diskurs in der gesamten Branche.“ Noch mehr künstlich geschaffener Wettbewerb kann dabei aus Sicht von mobifair nicht die Lösung sein. Stattdessen sollte die Direktvergabe von Verkehrsleistungen wieder gestärkt werden. Damit ließe sich auch während laufender Verträge genügend nachsteuern, um auf Veränderungen zu reagieren, bevor Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, Beschäftigte ihre Arbeit verlieren und Bahnen nicht mehr fahren. Zulässig ist sie nach EU-Recht allemal, insbesondere um eine dringend nötige Verbesserung der Qualität bei guten Sozialstandards im Nahverkehr auf der Schiene zu erreichen und diese auch auf Dauer zu gewährleisten.