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Hessen: Erster Schritt zu neuem Tariftreuegesetz

Die seit Anfang 2024 amtierende hessische Landesregierung aus CDU und SPD will das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz überarbeiten. Als erster Schritt hat dazu am 7. Juni ein Runder Tisch mit Staatsminister Kaweh Mansoori (SPD), Vertreter*innen des Wirtschaftsministeriums, von Kammern, Verbänden und Gewerkschaften stattgefunden. Auch mobifair war dabei und hat seine langjährige Erfahrung mit Tariftreuegesetzen in Deutschland eingebracht.

Der Ansatz, frühzeitig die verschiedenen Interessengruppen zu Wort kommen zu lassen und einzubeziehen, stellt eine erfreuliche Abwechslung zu den sonst üblichen Verfahren dar: Oft herrscht leider lange Zeit Funkstille aus den Ministerien, bis plötzlich ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, auf den dann innerhalb knapper Fristen mit schriftlichen Stellungnahmen reagiert werden muss.

Ziele des Koalitionsvertrags

Zu Beginn der Veranstaltung hat das Ministerium die Ziele vorgestellt, die im Koalitionsvertrag der Regierung festgehalten sind:

  • Tariftreue im Bereich Bau-, Liefer- und Dienstleistungen für Haupt- und Nachunternehmer nach den Regelungen eines repräsentativen Tarifvertrags, der per Rechtsverordnung festgelegt wird (=Saarländer Modell),
  • keine Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns,
  • Prüfung der „vergabefremden“ Kriterien,
  • Erhöhung der Schwellenwerte,
  • Begrenzung der Subunternehmerketten auf drei Ebenen,
  • Generalunternehmerhaftung bei Verstößen,
  • stichprobenartige Kontrollen durch die Regierungspräsidien.

Danach waren die Teilnehmer*innen aufgerufen, ihre Vorstellungen von einem Tariftreue- und Vergabegesetz „in einer idealen Welt“ vorzutragen. Dabei gab es erwartungsgemäß sehr unterschiedliche Vorstellungen. Christian Gebhardt, Projektleiter bei mobifair, hat aufgezeigt, was für den Verein dazu gehört – und zwar nicht nur aus Sicht der Beschäftigten, sondern auch im Sinne der Fachkräftesicherung für die (guten) Unternehmen und der Qualität der Auftragserfüllung für die öffentlichen Auftraggeber. Letztere tragen durch ihre Ausschreibungspraxis eine sehr hohe Verantwortung, der sie gerecht werden müssen.

Forderungen von mobifair

Die Ausweitung der Tariftreue auf die Bereiche außerhalb des ÖPNV/SPNV begrüßt mobifair ausdrücklich. Für den Verkehrsbereich sollte jedoch das bisherige, bewährte Modell mit einem paritätisch besetzten Tariftreuebeirat beibehalten werden. Als Untergrenze ist ein vergabespezifischer Mindestlohn deutlich über dem Niveau des bundesgesetzlichen Mindestlohns nötig, der Fälle abdeckt, in denen keine repräsentativen Tarifverträge festgelegt werden können oder deren Niveau niedriger ausfällt. Von besonderer Bedeutung ist die verpflichtende Vorgabe der Personalübernahme bei Betreiberwechsel mindestens zu den bisherigen Bedingungen für alle betroffenen Beschäftigten, die dringend nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz eingeführt werden muss.

Außerdem ist die verpflichtende Vorgabe von Sozial- und Umweltstandards (z.B. Ausbildungsquoten, Sicherheitsvorgaben, Tarifbindung) notwendig. Die in diesem Kontext im Koalitionsvertrag verwendete Formulierung „vergabefremde Kriterien“ sollte man am besten gar nicht mehr benutzen, weil diese früher oft als Totschlagargument gegen nahezu jede Art von Sozialstandards benutzt worden sei und sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen stark weiterentwickelt hätten. Angesichts § 97, Abs. 3 („bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt“) sei nicht mehr klar ersichtlich, was denn damit überhaupt noch gemeint sein könnte – abgesehen von einem negativen Framing. Vielmehr sei deutlich zu erkennen, dass der Bundesgesetzgeber die Vorgabe entsprechender Kriterien ausdrücklich vorsehe.

Eine Begrenzung von Subvergaben begrüßt mobifair, schlägt jedoch für den Verkehrsbereich vor, diese sowohl in der Breite (Eigenerbringungsquote mind. 90% und Subvergabe nur in besonderen Ausnahmesituationen) als auch der Tiefe (maximal eine Subebene außerhalb des Konzerns) vorzunehmen. Und nicht zuletzt sind regelmäßige Kontrollen aller Vorgaben durch eine entsprechend qualifizierte und ausgestattete zentrale Fachstelle notwendig, weil sonst das beste Gesetz nur ein Papiertiger ist.

Die Ziele des Koalitionsvertrags sind also noch ein gutes Stück vom mobifair-Ideal entfernt. Es bleibt zu hoffen, dass im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch nachgebessert wird. Nachdem das Ministerium jetzt die unterschiedlichen Forderungen aufgenommen hat, sollen diese im nächsten Schritt geclustert und geprüft werden. Danach wird ein Referentenentwurf für eine Gesetzesnovelle erstellt, zu dem wieder ein Anhörungsverfahren durchgeführt wird. Daran wird sich mobifair selbstverständlich wieder beteiligen, aber auch bis dahin im Kontakt mit der Politik bleiben. Die Chance, dass Hessen künftig vielleicht kein ideales, aber doch ein deutlich verbessertes Tariftreue- und Vergabegesetz bekommen könnte, muss genutzt werden.