Seit vielen Jahren fordert mobifair, dass die beiden letzten Bundesländer ohne Tariftreuegesetz – Bayern und Sachsen – endlich diese Lücke schließen und sich klar zum Schutz von Lohn- und Sozialstandards bekennen. In Sachsen ist man jetzt kurz davor, so könnte man glauben. Aber höchstwahrscheinlich wird daraus erst einmal wieder nichts, weil die Landtagswahlen schon vor der Tür stehen.
Seit 2019 steht im Koalitionsvertrag der sächsischen Regierung aus CDU, GRÜNEN und SPD das Ziel, das bisherige Vergabegesetz zu novellieren. Jetzt, kurz vor Ende der Legislaturperiode, liegt ein Referentenentwurf des zuständigen Ministeriums vor. Derzeit läuft noch die Verbändeanhörung, an der sich mobifair beteiligt hat. Eine Verabschiedung noch vor der Sommerpause dürfte damit nahezu ausgeschlossen sein. „Was hat daran so lange gedauert? Und ist das womöglich sogar Absicht?“, diese Fragen kann man sich durchaus stellen. Schaut man sich den Entwurf an, hat man das Gefühl, dass besonders viel Energie in das Finden von Ausnahmeregelungen gesteckt wurde – umso schlimmer bei einem Gesetz, das längst nicht auf der Höhe der Zeit ist, sondern eher den Standard von Tariftreuegesetzen von vor zehn Jahren widerspiegelt.
So gibt es eine Tariftreueregelung nur für den Verkehrsbereich, nicht aber für andere Branchen – vollkommen entgegen dem Trend der meisten anderen Bundesländer, die ihre Gesetze zuletzt erneuert haben oder planen, sie zu erneuern. Kommunalen Auftraggebern, zu denen auch die SPNV-Zweckverbände und Landkreise zählen, wird es freigestellt, Tariftreue auch für Nachunternehmen vorzugeben. Wie gut solche „Kann“-Regelungen in der Praxis funktionieren, weiß jeder, der sich schon einmal mit dem Thema Personalübergang im Busbereich (oder vor der GWB-Novelle auch im SPNV) befasst hat. In der Regel wird auf die Vorgabe verzichtet. Das öffnet den Billiganbietern unter den Subs Tür und Tor. Bei grenzüberschreitenden Verkehren kann zudem auf die Tariftreue und sogar den vergabespezifischen Mindestlohn verzichtet werden, wenn keine Einigung zwischen den Aufgabenträgern erzielt wird. Bei Aufträgen, die zusammen mit ausländischen Auftraggebern vergeben werden, ist das sogar Pflicht. Solche Regelungen gibt es in keinem anderen Bundesland und so sollte es auch bleiben.
Apropos Vergabemindestlohn: Dieser soll an die unterste Stufe des Tarifvertrags der Länder (TV-L) gekoppelt werden. Allerdings würden von ihm dank einer weiteren Ausnahme nur wenige Beschäftigte profitieren, weil er ausdrücklich nicht für kommunale Vergaben gilt. Diese machen aber einen großen Teil der öffentlichen Auftragsvergabe aus.
Hinsichtlich Personalübergang bei Betreiberwechsel sieht das Gesetz immerhin eine „Soll“-Regelung auf Schiene und Straße vor, also quasi eine Ausdehnung des § 131, Abs. 3 GWB auf den Busbereich. Der Verkehrsbereich ist insgesamt somit sogar noch relativ gut geregelt. Allgemeingültige Regelungen sind dagegen weitestgehend verwässert nach dem Motto „alles kann, nichts muss“, seien es soziale Kriterien (wie etwa Ausbildungsquoten), ökologische Vorgaben, ILO-Normen, Nachunternehmereinsatz (keine Beschränkung in Breite oder Tiefe der Kette) oder Kontrollen (hierzu gibt es nicht einmal einen eigenen Paragrafen).
Insgesamt würde das Gesetz, wenn es in dieser Form verabschiedet würde, zu den Schlusslichtern gehören. Insofern sollte der Gesetzgeber aus Sicht von mobifair besser gleich einen neuen Anlauf nehmen und sich dabei an den bekannten Positivbeispielen Rheinland-Pfalz, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern orientieren. Das würde höchstwahrscheinlich auch schneller gehen.
Die mobifair-Stellungnahme gibt es hier.
Wie der Entwurf im Vergleich abschneiden würde, zeigt der aktualisierte Vergleich der Tariftreuegesetzen in Deutschland.