Am Dienstag den 15.08.23 fand während der parlamentarischen Sommerpause im Hamburger Rathaus eine öffentliche Anhörung statt. Das Hamburger Rathaus ist wirklich ein beeindruckendes Gebäude und der Saal, in dem die Anhörung stattfand, steht dem in nichts nach. Der Sachverhalt, um den es ging, ist aus Sicht von mobifair jedoch alles andere als beeindruckend, sondern peinlich.
Seit vielen Jahren bemühen sich die Gewerkschaften um ein anständiges Landestariftreue- und Vergabegesetz in der Freien und Hansestadt Hamburg – ohne Erfolg. Die herbe Kritik der Gewerkschaften und auch von mobifair führte letztlich dazu, dass man Tariftreue wiederum in die Warteschleife stellt. Grund hierfür ist das Vorhaben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), ein Bundestariftreuegesetz zu verabschieden, das für Vergaben auf Bundesebene einen vergleichbaren Schutz vor Lohn- und Sozialdumping schaffen soll, der in vielen Bundesländern bereits seit langer Zeit üblich ist.
Stattdessen sieht man in Hamburg jedoch die Notwendigkeit, schon jetzt, also im Schnelldurchgang, ein sogenanntes „Vorschaltgesetz“ zu beschließen, das zwei wesentliche Inhalte haben soll. So sollen die Schwellenwerte zur Anwendung der wesentlichen Gesetzesinhalte derart angehoben werden, dass von rund 70.000 öffentlichen Aufträgen im Jahr nur noch ca. 200 Vergabeverfahren alle Vorgaben des Gesetzes einhalten müssen. Ob Tariftreue in Zukunft auch dazu gehört, wurde nur ausweichend beantwortet. Der zweite Punkt ist jedoch noch viel bedenklicher. Der Hamburger Senat will eine Ermächtigungsklausel, um im sog. „Krisenfall“ das Gesetz ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen. Eine solche Regelung wäre wirklich einmalig in der Geschichte deutscher Tariftreue- und Vergabegesetze. Die Gewerkschaften und mobifair lehnen solch ein Vorgehen von Grund auf ab! Insgesamt nährte das sog. Vorschaltgesetz die Vermutung, dass nach Beschlussfassung über diese Punkte in dieser Legislaturperiode nichts mehr geschieht und die Tariftreue wieder in der Versenkung verschwindet. Als beabsichtigte Schadensbegrenzung muss man wohl ansehen, dass die beiden Regierungsfraktionen aus SPD und Grünen einen Tag vor der Anhörung noch einen Änderungsantrag vorlegten, der wohl die Gewerkschaften etwas besänftigen sollte und unterstreicht, dass „In Abhängigkeit von der Vorlage des Bundestariftreuegesetzs möglichst bis zum 31.12.2023“ ein weiterer Gesetzesentwurf vorgelegt wird, mit dem „die sogenannte Tariftreue“ auch unterhalb der Schwellenwerte zur Geltung kommt.
Dirk Schlömer, der als Vorstand von mobifair an der Anhörung teilnahm, begrüßte zwar, dass man die Kritik der Gewerkschaften und von mobifair wohl verstanden habe und deshalb die beabsichtigten Tariftreueregelungen überdenken will. Doch er merkte ebenfalls an, dass ein Bundestariftreuegesetz wahrscheinlich ausschließlich Regelungen für Vergaben des Bundes beinhalten wird. Speziell für den Nahverkehr auf der Straße und der Schiene wird man dort vergeblich nach Regelungen suchen. „Statt auf ein Bundesgesetz zu warten, das lediglich eine Lücke der Tariftreue schließen wird, die in 13 von 16 Bundesländern bereits Standard ist, sollte man sich an Bundesländern wie dem Saarland oder künftig auch Mecklenburg-Vorpommern ein Beispiel nehmen,“ so Schlömer. Doch Finanzsenator Dressel (SPD) bestätigte mit seiner Bemerkung, man wolle kein „Showgesetz“ verabschieden, sondern eine rechtssichere Tariftreueregelung, dass Hamburg nach wie vor echte Tariftreue als verfassungswidriges Teufelszeug betrachtet und damit gleichermaßen 13 anderen Landesregierungen die Kompetenz abspricht, rechtssichere Gesetze zu erlassen.
Für mobifair ist es schwer zu glauben, dass das jetzige Warten auf eine Bundesregelung tatsächlich zu einem leistungsfähigen Tariftreuegesetz in Hamburg führen wird, das tarifgeschützte Arbeit stärkt, Lohndumping verhindert und damit einen fairen Wettbewerb ermöglicht. Sollte durch Störfeuer der FDP das Bundestariftreuegesetz erst im Frühjahr 2024 beschlossen werden, dann wird in Hamburg wohl weiter gezögert und versucht, die Gewerkschaften mit einer Hand zu streicheln und mit der anderen auf Abstand zu halten. Ende 2024 wird der Hamburger Senat neu gewählt und da will man niemandem auf die Zehen treten – schon gar nicht der Wirtschaft.