In Thüringen soll das Vergabegesetz überarbeitet werden – in einer politisch schwierigen Situation: Zum einen gibt es einen Entwurf der rot-rot-grünen Regierungsfraktionen, die aber keine eigene Mehrheit im Landtag haben, weil es sich um eine Minderheitsregierung handelt. Genauso wenig wie die CDU-Fraktion, die ebenfalls einen Entwurf vorgelegt hat. Beide befinden sich im Moment in der Verbändeanhörung und mobifair hat dazu Stellung genommen.
Unabhängig davon, ob sich am Ende überhaupt eine Mehrheit finden lässt oder nicht, gibt es schon länger ein großes Problem: Seit seiner Novelle im Jahr 2019 hat Thüringen ein gutes Vergabegesetz – eigentlich… Aber: Notwendige Rechtsverordnungen zur Vorgabe von repräsentativen Tarifverträgen sind bisher nicht erlassen worden. Auch der Tariftreuebeirat im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs hat sich seitdem nicht konstituiert. Das bedeutet, dass die an sich positiven Tariftreuevorgaben derzeit faktisch ins Leere laufen. Und das kann nicht im Sinne des Gesetzes und des Gesetzgebers sein. mobifair sieht daher seitens der Landesregierung dringenden Handlungsbedarf unabhängig von den jetzigen Entwürfen und hat darauf auch in seiner Stellungnahme hingewiesen.
Regierungsentwurf
Von den beiden Entwürfen begrüßt mobifair grundsätzlich den der Regierungsfraktionen. Er sieht vor, dass künftig eine „Soll“-Regelung zur Personalübernahme bei Betreiberwechsel gelten soll. Bisher gilt „Kann“, optimal wäre aber „Muss“. Tariftreuevorgaben sollen künftig auch bei kommunalen Vergaben gelten und konkretisiert werden, der vergabespezifische Mindestlohn soll auf 13,50 € pro Stunde ansteigen. Auftraggeber sollen zu stichprobenhaften Kontrollen verpflichtet werden und eine Landesvergabeberatungsstelle soll die Auftraggeber beraten. Auch wenn es beim Mindestlohn, den Kontrollen und der Landesvergabeberatungsstellen noch Spielraum für Verbesserungen gibt (14 Euro Mindestlohn, regelmäßige Kontrollen durch eine zentrale Stelle, Beratung auch für Beschäftigte), würde der Entwurf eine positive Weiterentwicklung des bisherigen Gesetzes darstellen.
Entwurf der CDU-Fraktion
Der CDU-Entwurf dagegen sieht v.a. Vereinfachungen und Bürokratieabbau vor, in Form einer Streichung von Beispielen für soziale Kriterien und finanzieller Sanktionsmöglichkeiten sowie von weniger Formularen. mobifair lehnt diesen Entwurf ab, weil er abgesehen vom höheren Mindestlohn (13,50 Euro) keine echte Verbesserung für die Beschäftigten erwarten lässt, im Gegenteil. Auch das Argument, dass durch weniger Formulare mehr Unternehmer an Ausschreibungen teilnehmen würden, überzeugt nicht. Wenn Formulare bereits eine unüberwindbare Hürde darstellen, wie sollen dann teilweise komplexe Aufträge und Vorgaben ordentlich umgesetzt werden? Oder anders gefragt: Sollte man solchen Unternehmen dann wirklich ruhigen Gewissens öffentliche Gelder geben? Das Problem der wenigen Bewerber ist vielmehr eine Folge des Unterbietungswettbewerbs, der dazu führt, dass sich eine Teilnahme an Ausschreibungen der öffentlichen Hand oft nicht mehr lohnt.
Kompromiss aus beiden Entwürfen?
Denkbar wäre, dass am Ende ein Gesetz beschlossen wird, das Teile beider Entwürfe vereint, wenn sich dafür eine Mehrheit aus Regierung und Opposition findet. Prinzipiell wäre das möglich, weil sich die beiden Entwürfe nicht grundsätzlich gegenseitig ausschließen. Sie setzen an unterschiedlichen Stellen an und haben auch gemeinsame Inhalte, etwa den höheren Vergabemindestlohn und die Streichung der ILO-Kernarbeitsnormen. Dies bleibt abzuwarten, aber mobifair stünde dem kritisch gegenüber. Eine Verbesserung für die Beschäftigten auf der einen Seite darf nicht durch Abstriche auf der anderen wieder aufgehoben werden.