Es tut sich wieder etwas im Bereich der Landestariftreuegesetze: Nach dem Sommer werden sich die Landesparlamente in Bremen und Sachsen-Anhalt mit Gesetzesnovellen befassen. mobifair hat sich die Entwürfe angesehen und bewertet.
In Bremen sieht der Referentenentwurf der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa die Einführung von Mindestentgelten im gesamten Bau-, Liefer- und Dienstleistungsbereich vor, welche sich an den einschlägigen Branchentarifverträgen orientieren sollen. Dadurch dürfte es für viele Beschäftigte höhere Mindeststandards geben. Auch verkehrsnahe Dienstleistungen, wie beispielsweise Instandhaltung und Vertrieb können damit erfasst werden. Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs soll die Senatorin künftig „nach billigem Ermessen“ darüber entscheiden, welche Tarifverträge als repräsentativ gelten. Ein beratender Tariftreuebeirat ist dabei nur optional vorgesehen. mobifair lehnt die Formulierung „nach billigem Ermessen“ ab und fordert, dass auf jeden Fall ein beratender Tariftreuebeirat mit Vertretern der Tarifvertragsparteien eingerichtet wird. Bei abweichenden Positionen zwischen Senatorin und Beirat sollte außerdem die Bremische Bürgerschaft beteiligt werden. Dies sollte eine Lektion aus Niedersachsen sein, wo der Billigtarifvertrag der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) vom Minister gegen die Empfehlung des Beirates für repräsentativ erklärt worden ist (mobifair hat darüber berichtet).
Leider fehlt in diesem Gesetzentwurf die verpflichtende Personalübernahme bei Betreiberwechsel. Für mobifair unverständlich und dringend verbesserungsbedürftig. Positiv dagegen: Eine bereits bestehende Sonderkommission soll künftig zu einer zentralen Stelle für die Kontrolle von Arbeitsbedingungen weiterentwickelt werden. Entscheidend wird aber eine angemessene Personalausstattung sowie die Vorgabe und Umsetzung einer Mindestkontrolldichte sein. Insgesamt muss der Entwurf also noch an einigen entscheidenden Stellen nachgearbeitet werden.
Dass es bezüglich Personalübergang besser geht, zeigt der Regierungsentwurf aus Sachsen-Anhalt. Dieser sieht eine „Soll“-Regelung auf Schiene und Straße vor. Hier fordert mobifair zwar, besser gleich in die Vollen zu gehen und daraus ein „Muss“ zu machen, begrüßt jedoch, „dass sich die große Bedeutung dieser Regelung, auf die wir seit Jahren insbesondere auch im Busbereich hinweisen, allmählich herumspricht“, so Christian Gebhardt, Projektleiter bei mobifair. Beim Thema Tariftreue orientiert man sich am üblichen Standard: Vorgabe repräsentativer Tarifverträge mit Geltung auch für Nach- und Verleihunternehmen. Leider ist im Entwurf keine Rede von einem Tariftreuebeirat. Es muss also auch hier nachgebessert werden.
Die beiden Entwürfe haben gemeinsam, dass der vergabespezifische Mindestlohn an die unterste Gruppe und Stufe des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) gekoppelt werden soll und damit über dem angehobenen Bundesmindestlohn von 12 Euro liegen würde.
Derzeit wird wohl auch in Nordrhein-Westfalen an einer Änderung des Tariftreuegesetzes und in Sachsen an der erstmaligen Einführung eines solchen gearbeitet. Wenn Letzteres gelingt, bleibt als letzter weißer Fleck auf der Landkarte nur noch Bayern übrig.
mobifair meint: „Liebe Gesetzgeber, nutzt jetzt die Möglichkeit, dem Schutz der Beschäftigten den Stellenwert einzuräumen, den diese verdient haben. Ihr werdet sie brauchen, um die Verkehrswende zu schaffen – ebenso wie mehr Qualitätsanforderungen in den Verkehrsverträgen.“