Während das öffentliche Leben in Deutschland nun langsam wieder hochgefahren wird, ging der Ausschreibungswettbewerb im SPNV unbeirrt weiter. Vergaben wurden abgeschlossen, gestartet und angekündigt. In dieser Reihenfolge ein Überblick über die letzten Wochen:
Vergabeentscheidung Franken-Südthüringen
Im Netz Franken-Südthüringen ist ab Dezember 2023 der alte Betreiber zugleich der neue. In der Ausschreibung von BEG und dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat DB Regio den Zuschlag über die rund 5,7 Mio. Zugkilometer pro Jahr erhalten. Die Aufgabenträger hatten neben dem Personalübergang für Triebfahrzeugführer, Zugbegleiter und Disponenten ein Ausbildungskontingent mit Anreizsystem für Ausbildungen zum Tf und eine Tf-Sitzbereitschaft im EVU vorgegeben. Hinzu kam ein Betriebsaufnahmekonzept, mit dem die Verfügbarkeit von Personal und Fahrzeugen sowie andere Aspekte kontrolliert und gefördert werden soll. Künftig soll jeder Zug mit einem Zugbegleiter (100%-Zugbegleitquote) bzw. mit zwei Zugbegleitern auf der Strecke Nürnberg-Bamberg besetzt werden.
mobifair begrüßt diese Entwicklung der Ausschreibungskriterien in die richtige Richtung, weist aber darauf hin, dass gerade bei der Tariftreue – Bayern verfügt über kein Tariftreuegesetz – und beim Personalübergang noch Luft nach oben ist, z.B. im Bereich der Werkstatt.
Auftragsbekanntmachung Regensburg/Donautal
Ganz ähnlich, aber an manchen Stellen weiterentwickelt, sind die Vorgaben der BEG und des Baden-Württemberger Verkehrsministeriums auch bei der jetzt gestarteten Ausschreibung des Netzes Regensburg/Donautal mit einem Umfang von ca. 7,2 Mio. Zkm pro Jahr. Derzeitiger Betreiber ist hier überwiegend agilis, aber auch DB Regio fährt einen Teil der Leistungen, nämlich die Verbindung Nürnberg – Regensburg, die noch bis 2023 Teil des Ringzuges Ost (Nürnberg – Regensburg – München) ist. Betriebsaufnahme ist in zwei Stufen im Dezember 2022 bzw. 2023. Das EVU, das künftig das Netz betreiben wird, muss pro Jahr mindestens vier Triebfahrzeugführer erfolgreich ausbilden, und erhält für bis zu fünf ausgebildete Triebfahrzeugführer pro Jahr jeweils pauschal 100.000 Euro, aber nur, wenn das Unternehmen die Ausbildung selbst finanziert und der Beschäftigte innerhalb von 24 Monaten sowohl in Bayern als auch im SPNV beschäftigt bleibt. Bei der Nutzung von Bildungsgutscheinen ist die Ausbildungspauschale ausdrücklich ausgeschlossen. Ab dem dritten Betriebsjahr müssen zudem mindestens zwei der vier vorgeschriebenen Ausbildungen solche zum EIB L/T sein.
Ob die Finanzierung der Ausbildungsquote durch den Staat aber grundsätzlich der richtige Weg ist? mobifair ist skeptisch und findet, dass die Unternehmen nicht aus der finanziellen Verantwortung genommen werden sollten. Die Erfahrungen mit Bildungsgutscheinen zeigten, dass solche Anreize gerne einmal zu einem lukrativen Geschäft werden können. Der Verein fordert außerdem, die Ausbildungsvergütung grundsätzlich nur für Ausbildungen zum EIB L/T zu übernehmen, nicht jedoch für die so sogenannte Funktionsausbildung. Der Betrag von 100.000 Euro sollte auch dafür noch ausreichen.
Auftragsbekanntmachung Pfalznetz
Ebenfalls gestartet ist die Ausschreibung Pfalznetz in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Baden-Württemberg. Die Leistungen über 5,9 Mio. Zkm pro Jahr verteilen sich auf zwei Lose: Bei einem werden neue Hybridfahrzeuge (BEMU-Fahrzeuge) vorausgesetzt, die auf elektrifizierten Streckenabschnitten und in Bahnhöfen ihre Akkus aufladen und auf nicht-elektrifizierten Abschnitten batteriebetrieben fahren können. Im anderen Los sind auch gebrauchte Dieselfahrzeuge zugelassen. Derzeit fährt DB Regio die Verkehre. Die Betriebsaufnahme erfolgt gestaffelt zwischen Dezember 2023 und Dezember 2026. Nähere Informationen zu den für die Beschäftigten wichtigsten Aspekten, wie Personalübergang, Ausbildungsquote, Personalreserve, Zugbegleitquote, Pausenräume oder Sicherheit, enthalten die jetzt veröffentlichten Unterlagen zum vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb noch nicht. Vor Beginn der Ausschreibung gab es Signale, dass es eine Ausbildungsquote, eine Personalreserve und besondere Vorgaben zur Sicherheit geben würde. Überprüfen lässt sich das derzeit nicht.
Für mobifair ist dies eine nicht nachvollziehbare Entscheidung der Aufgabenträger. Diese wichtigen Kriterien sollten von Anfang transparent gemacht werden, damit sowohl die Beschäftigten als auch die Bewerber von Anfang an wissen, was bei der Ausschreibung verlangt wird. Schließlich seien sie es, die später mit diesen Vorgaben umgehen müssten.
Vorinformation Werdenfels
Noch nicht gestartet, sondern vorangekündigt hat die BEG die Ausschreibung des Netzes Werdenfels im Umfang von rund 5,2 Mio. Zkm pro Jahr mit Betriebsaufnahme im Dezember 2025. Das derzeit von DB Regio betriebene Netz wird demnach frühestens in einem Jahr ausgeschrieben. Der Zeitpunkt, den Aufgabenträger auf die Forderungen zum Schutz von Lohn- und Sozialstandards der Beschäftigten aufmerksam zu machen und die Vergabekriterien weiter zu entwickeln, ist also jetzt. mobifair steht wie immer mit Rat und Tat zur Seite.
Vorinformation Rhein-Emscher-Express RE 3
Ebenfalls vorangekündigt haben VRR und NWL die wettbewerblich Vergabe des Rhein-Emscher-Express RE 3 mit Betriebsaufnahme im Dezember 2025 und einer Laufzeit von nur fünf Jahren, möglicherweise als Übergangsvertrag. Derzeitiger Betreiber ist Keolis. Auch hier gilt: Der Zeitpunkt, im Sinne der Lohn- und Sozialstandards aktiv zu werden, ist jetzt.
Und sonst so?
mobifair setzt sich auch weiterhin dafür ein, dass der Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Einen Ausblick über die künftigen SPNV-Ausschreibungen gibt die folgende Karte: