Kann es sich bei Ausschreibungen von Busverkehren auch dann um einen Betriebsübergang mit allen Rechten und Pflichten, handeln, wenn beim Betreiberwechsel keine nennenswerten Betriebsmittel, insb. Busse, vom Alt- auf den Neubetreiber übergegangen sind? Bisher lautete die gängige Antwort darauf „nein“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun entschieden, dass der Übergang von Betriebsmitteln keine alleinige oder zwingende Voraussetzung ist. Können also nun mehr Beschäftigte darauf hoffen, dass ihre über Jahre erworbenen Ansprüche beim Betreiberwechsel geschützt sind? In bestimmten Fällen ja. Es zeigt sich aber auch: Am besten wäre es immer noch, wenn die Aufgabenträger einfach schon bei der Ausschreibung einen geschützten Personalübergang nach EU-VO 1370/2007 vorsehen würden. Doch von vorne…
Nach einer Ausschreibung von Busverkehren durch den Landkreis Oberspreewald-Lausitz im Jahr 2016 kam es zum Betreiberwechsel. Das bisherige Busunternehmen, die Südbrandenburger Nahverkehrs-GmbH (SBN), hatte kein Angebot mehr abgegeben, stellte den Geschäftsbetrieb ein, kündigte ihren Beschäftigten und schloss einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat. Der neue Betreiber, die Kraftverkehrsgesellschaft Dreiländereck mbH mit ihrer 100%-igen Tochter OSL Bus GmbH, übernahm einen überwiegenden Teil der Busfahrer und anderes Personal, nicht jedoch die Busse, weil diese nicht den technischen und ökologischen Anforderungen genügten, die in der Ausschreibung an die Fahrzeuge gestellt waren.
Zwei Busfahrer des Altbetreibers haben anschließend geklagt. Einer, weil er nach dem Wechsel zum Neubetreiber in die Eingangsstufe des anwendbaren Tarifvertrags, d.h. ohne Berücksichtigung seiner jahrzehntelangen Beschäftigungszeiten, eingestuft wurde. Ein anderer, der vom Altbetreiber gekündigt und vom Neubetreiber nicht eingestellt wurde, wehrte sich gegen seine Kündigung forderte die Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan. Der Altbetreiber sah sich als nicht zuständig an, weil der Arbeitsvertrag aufgrund des Unternehmensübergangs auf den Neubetreiber übergegangen sei. Es ging also letztlich darum, ob es sich bei dem Übergang der Leistungen um einen Betriebsübergang nach §613a BGB gehandelt hat. Wäre dies der Fall, hätten die Kollegen für ein Jahr Anspruch auf den Fortbestand ihrer Lohn- und Sozialstandards beim Neubetreiber.
Der EuGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Betriebsübergang auch ohne Übergang der Betriebsmittel ausgelöst werden kann, z.B. wenn wie im vorliegenden Fall Vorgaben zu Bussen gemacht werden, die von den alten Fahrzeugen nicht erfüllt werden können. Entscheidend sei, dass die „wirtschaftliche Einheit“ ihre Identität bewahre und zu dieser „organisierten Gesamtheit der Faktoren“ zähle neben den Betriebsmitteln auch ein „nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft (…), der für identische oder ähnliche Aufgaben eingesetzt wird und über spezifische Qualifikationen und Kompetenzen verfügt“ sowie der Umstand, dass die Tätigkeit ohne Unterbrechung auf nahezu denselben Strecken fortgesetzt wird.
mobifair begrüßt dieses wegweisende Urteil, weil es auch die Wertschätzung der Arbeit der Busfahrer erhöht: Die Fokussierung auf Fahrzeuge war immer ein Problem, weil zwar zum Busverkehr Fahrzeuge UND Fahrer gehören, die negativen Konsequenzen (des ausbleibenden Betriebsübergangs) aber nur die Busfahrer, also Menschen, trafen. Für den Verein steht aber noch ein anderer Schluss fest: „Die Aufgabenträger könnten viele Probleme schon zu Beginn der Ausschreibung vermeiden, indem sie einen Personalübergang nach EU-VO 1370/2007 vorgeben. Das würde klare Verhältnisse schaffen, derartige Rechtsprobleme vermeiden und nebenbei auch noch die Wechselbereitschaft der Beschäftigten erhöhen. Für einen zuverlässigen Betriebsstart mit erfahrenem und qualifiziertem Personal. In diesem Fall hat genügend Personal gewechselt, in vielen anderen Landkreisen war das aber nicht der Fall. Wenn also weder Busse noch eine größere Zahl an Beschäftigten übergehen – weil sie z.B. wegen Lohneinbußen nicht wechseln wollen – , wird auch nach diesem Urteil kein geschützter Betriebsübergang ausgelöst. Die Notwendigkeit für die Vorgabe eines Personalübergangs durch die Aufgabenträger besteht also nach wie vor. Ebenso die Möglichkeit: Am Vergaberecht hat das jetzige Urteil nichts geändert. Im Gegenteil, es hat die Bedeutung der Möglichkeit „Personalübergang nach 1370/2007“ eher noch einmal aufgezeigt.“