Mit Verabschiedung der neuen Arbeitnehmerentsenderichtlinie wurden in Brüssel zahlreiche Missstände des alten EU-Rechts ausgeräumt. So galt bislang, dass ausschließlich gesetzliche Mindestnormen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Bedingung gestellt wurden, wenn sie in anderen EU-Mitgliedstaaten Dienstleistungen erbrachten.
Wer nun denkt, dass solche Regelungen nur wenige Menschen betreffen, der muss in der Zeit ein wenig zurückgehen. 2006 bis 2007 fällte der Europäische Gerichtshof (EuGH) vier Urteile, die in negativem Sinne Geschichte geschrieben haben.
Mit den beiden ersten Entscheidungen griff der EuGH in 2006 massiv ins Streikrecht der europäischen Gewerkschaften ein und untersagte in Schweden und Finnland, dass die Beschäftigten sich gegen Billigkräfte aus anderen EU-Ländern zur Wehr setzten durften. Mit dem sog. Rüffert Fall, der ein Vergabeverfahren in Niedersachsen betraf, wurden dann sämtliche in Deutschland bestehenden Tariftreuegesetze in Frage gestellt und praktisch über Nacht rechtsunwirksam. Das letzte Urteil betraf den sehr umfassenden Arbeitnehmerschutz in Luxemburg, der dem EuGH ein Dorn im Auge der EU-Gesetzgebung war.
Begründung des Gerichts war, dass die Dienstleistungsfreiheit auch durch den Schutz von Arbeitnehmerrechten in den Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden dürfe. Für die Gewerkschaften und auch für mobifair war dies nicht hinnehmbar!
Durch den starken Druck der Gewerkschaften und Verbände distanzierte sich auch das EU-Parlament von den richterlichen Entscheidungen und begann mit dem Vertrag von Lissabon, den Grundstein für eine Modernisierung des EU-Rechts im Sinne eines besseren Arbeitnehmerschutzes zu legen. Seitdem erhalten sogenannte „soziale Aspekte“ in vielen EU-Richtlinien und Verordnungen eine wesentlich stärkere Bedeutung.
Aber was bringt nun die neue Richtlinie, die im Sommer 2018 durch die EU-Gesetzgebung verabschiedet wurde? Künftig werden bei der Entsendung von Arbeitskräften nicht nur gesetzliche Mindestnormen gelten, sondern sämtliche Entgeltbestimmungen allgemeinverbindlicher Tarifverträge! Es gelten ebenfalls bundesweite Tarifverträge, die mit der jeweils repräsentativsten Gewerkschaft vereinbart wurden.
Hinzu kommt, dass Reise- oder Unterbringungskosten, die bisher vielfach von den bislang gezahlten Mindestlöhnen abgezogen wurden, künftig nicht mehr gegengerechnet werden dürfen. Das ist ein großer Schritt zur Bekämpfung von Lohndumping.
Doch es geht noch mehr! Mit dem damaligen Rüffert Urteil entschied der EuGH ebenfalls, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge außerhalb der gesondert geregelten Branche des Personennahverkehrs ausschließlich soziale Vorgaben zulässig sind, die mit der EU Entsenderichtlinie vereinbar sind. Vielfach galt somit bislang, dass in vielen Branchen, wie z.B. im Reinigungs- oder Sicherheitsgewerbe, aber auch bei der Vergabe von Leistungen im Fahrkahrtenvertrieb, lediglich der gesetzliche Mindestlohn vorgegeben werden konnte.
Damit dieses neue EU-Recht nun in Deutschland gilt, muss das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) überarbeitet werden. Das Bundesarbeitsministerium hat hierzu bereits einen ersten Referentenentwurf vorgelegt. mobifair und auch der DGB bemängeln jedoch, dass nicht alle Möglichkeiten der EU-Richtlinie mit diesem Gesetzesentwurf ausgeschöpft wurden.
Aus unserer Sicht enthält der Vorschlag des Ministeriums zwar viele für die Arbeitnehmerentsendung zutreffende neue Schutzregelungen, die für die Arbeitnehmerentsendung wichtig sind, aber gerade der Schutz im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen, scheint vergessen worden zu sein.
So stellt der Gesetzgeber in Frage, ob man die repräsentativste Gewerkschaft für eine bestimmte Branche benennen könne. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, ob bei räumlich begrenzten Ausschreibungen, auch regionale Tarifverträge vorgegeben werden können. Beides ist aber gerade auch im Transportbereich und den verkehrsnahen Dienstleistungen wichtig und muss unbedingt mit ins Gesetz aufgenommen werden.
In Kürze wird nun eine öffentliche Anhörung zum Gesetzesentwurf stattfinden. mobifair wird dabei sein und unsere Positionen deutlich machen. Bis Mitte 2020 muss das neue AEntG in Kraft getreten sein und diese Zeit werden wir nutzen, damit wir dem Ziel einen weiteren wichtigen Schritt näher kommen, Lohndumping in der Mobilitätsbranche zu verhindern.