Bei Verkehrsausschreibungen führt fast kein Weg an ihr vorbei, und das nun schon seit genau zehn Jahren: Am 03. Dezember 2009 trat die Verordnung 1370/2007/EG in Kraft und wurde seitdem ganz unterschiedlich interpretiert. Die einen, v.a. einige Aufgabenträger in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung, wurden nicht müde, zu argumentieren, was alles wegen der 1370 nicht gehe. Darunter Dinge wie Lohn- und Sozialstandards, Subunternehmer- und Ausbildungsquoten, Personalübergänge für bestimmte Beschäftigtengruppen und und und. „Wir würden ja gerne, aber das geht nicht wegen der 1370/2007“ hat mobifair nicht nur einmal gehört.
Auf der anderen Seite standen nicht nur Gewerkschaften und mobifair, sondern auch einige weitsichtigere Aufgabenträger, die erkannt haben, wie notwendig der Schutz der Beschäftigten vor den Folgen des ungebremsten Wettbewerbs ist und dass er rechtlich durchaus möglich ist. „Doch doch, geht doch.“ So finden sich mittlerweile vereinzelt Vorgaben zu Ausbildungsquoten, Personalreserven und Sicherheit im Zug und auch beim Personalübergang hat sich etwas getan, zumindest im SPNV. Die Formulierung in der Verordnung lautet:
„Unbeschadet des nationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts, einschließlich Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern, kann die zuständige Behörde den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes verpflichten, den Arbeitnehmern, die zuvor zur Erbringung der Dienste eingestellt wurden, die Rechte zu gewähren, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG erfolgt wäre.“ Art. 4 (5).
Diese „Kann“-Formulierung führt leider in der Praxis immer noch in aller Regel dazu, dass beim Bus eben kein Personalübergang vorgegeben wird, auch wenn es positive Ausnahmen gibt wie kürzlich im Landkreis Hildburghausen. Bei der Schiene war es früher genauso. Erst seit im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen für den SPNV eine „Soll“-Formulierung verankert ist, ist der Personalübergang die Regel, zumindest für Triebfahrzeugführer, Zugbegleiter und Disponenten. Die Einbeziehung weiterer Berufsgruppen, z.B. in der Werkstatt, und der dauerhafte Schutz der bisherigen Lohn- und Sozialstandards über das erste Jahr hinaus sind allerdings immer noch rar.
Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass bei der Änderung der 1370/2007 durch die Verordnung 2016/2338 vom 14. Dezember 2016 der soziale Schutz ausdrücklich gewollt war:
„Im Rahmen der Schaffung des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums sollten die Mitgliedstaaten ein angemessenes Niveau des sozialen Schutzes für das Personal der Betreiber eines öffentlichen Dienstes gewährleisten.“Erwägungsgrund 12.
mobifair findet daher: „Es darf nicht noch zehn Jahre dauern, bis der Schutz aller Beschäftigten endlich in sämtlichen Verkehrsausschreibungen berücksichtigt wird. Er ist rechtlich möglich, man muss nur politisch wollen. Noch besser wäre es, ihn gleich auf Landes- und Bundesebene festzuschreiben. Auch das geht. Stichworte Tariftreuegesetze, GWB und Personenbeförderungsgesetz. Die Erfahrung zeigt: Nur wer muss, macht auch.“
Nicht nur anlässlich des „Jubiläums“ der 1370/2007 lohnt es sich, noch einmal einen Blick in die Verordnung zu werfen, insb. in folgende Passagen:
- Art. 4 (3-4): Maximale Laufzeit von Verkehrsverträgen.
- Art. 4 (5): Personalübergang.
- Art. 4 (6): Qualitäts- und Sozialstandards.
- Art. 4 (7): Vergabe von Unteraufträgen.
- Art. 5 (2): Direkt- und Inhousevergaben im Bereich Bus und Straßenbahn.
- Art. 5 (3a+b, 4a+b,6): Direktvergaben im SPNV.
- Art. 5 (5): Notvergaben.
- Art. 5 (6a): Losaufteilung und -Limitierung.
- Art. 5a: Rollmaterial.
Hier die Verordnung 1370/2007/EG inkl. der Änderungen durch die Verordnung 2016/2338/EU.