In Berlin steht eine SPNV-Ausschreibung bevor. Es geht um die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn der S-Bahn Berlin, um Verkehrsleistungen im Umfang von rund 26.000.000 Zugkilometer pro Jahr und um ca. 3.000 Beschäftigte. Die Betriebsaufnahme soll gestaffelt zwischen 2026 und 2031 stattfinden. Man könnte also meinen, es sei noch Zeit, aber die Weichen werden bereits heute gestellt. Wer im Sinne der Beschäftigten Einfluss auf die Ausschreibungsbedingungen nehmen will, muss frühzeitig aktiv werden, wie sich in diesem Fall zeigt: Der Einsatz der Beschäftigten mit Unterstützung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zeigt Wirkung. Doch worum geht es?
Der Berliner Senat und die Verkehrssenatorin Regine Günther hatten im vergangenen Jahr für die bevorstehende Ausschreibung der S-Bahn-Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn angekündigt, die Leistungen in Lose aufzuteilen. Zwei Lose (Nord-Süd und Stadtbahn) mit zwei Fachlosen (Verkehrsleistung und Fahrzeugbeschaffung/-Instandhaltung). Bisher wartet die S-Bahn-Berlin die Fahrzeuge selbst. Die gesamte Leistung wird also aus einer Hand erbracht. Vor Kurzem wurde von der Senatorin zusätzlich eine Loslimitierung ins Spiel gebracht, um den Wettbewerb zu steigern. Das heißt: Das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das in einem Teilnetz fährt, müsste nicht unbedingt die Instandhaltung übernehmen und dürfte nicht auch das zweite Teilnetz betreiben. Zwangsläufig wäre es also mindestens in einem Teil des Netzes zum Wechsel des Betreibers gekommen und damit zur Gefahr von Einbußen bei den Lohn- und Sozialstandards für die Beschäftigten, wenn – wie so oft – der Billigste den Auftrag bekommt. Besonders betroffen wären davon die zahlreichen Werkstattbeschäftigten gewesen.
Im Extremfall hätte es also vier Unternehmen geben können, die sich die Leistungen teilen. Das Ergebnis wäre ein Flickenteppich. Viele getrennte Einheiten aus Verkehrsunternehmen und Werkstattbetreibern, die eine miteinander zusammenhängende Leistung erbringen müssen. Schnittstellenprobleme in diesem hochkomplexen System S-Bahn wären zu erwarten gewesen. Die Folge wären wahrscheinlich Einbußen bei der Zuverlässigkeit im Betriebsablauf und somit wären auch Nachteile für die Fahrgäste entstanden.
Die Loslimitierung ist jetzt jedoch vom Tisch. Die vielen Aktionen der S-Bahnerinnen und S-Bahner gemeinsam mit der EVG haben sich gelohnt. Zahllose Gespräche mit Politikern, eine Postkartenaktion und Demonstrationen führten zu diesem Teilerfolg. Am Rande der Grünen-Delegiertenkonferenz erzielte die Protestaktion eine kurzfristige Unterredung zwischen der Verkehrssenatorin Günther und Vertretern der S-Bahn-Betriebsgruppe. Die Loslimitierung sei vom Tisch, versicherte die Resortchefin. Der Vorsitzende der EVG-S-Bahn-Betriebsgruppe, Robert Seifert, verdeutlichte die Wichtigkeit der Entscheidung: „Das wäre das Ende der einheitlichen S-Bahn gewesen.“ Bei diesem Gespräch übergaben die Gewerkschafter einen Forderungskatalog. Einigkeit bestünde bereits, dass es keine Absenkung der Sozialstandards für die Beschäftigen geben dürfe. Es sei auch ein weiterer Dialog vereinbart.
mobifair gratuliert den Beschäftigten zu diesem Etappensieg und ermutigt sie, auch weiterhin am Ball zu bleiben. Entscheidend sei, was am Ende in den Ausschreibungsunterlagen stehe und dafür lohne es sich, zu kämpfen.
Denn: Die Aufteilung der Ausschreibung in Lose bleibt wohl bestehen. Umso wichtiger sei es, dass der Aufgabenträger einen Personalübergang mindestens zu den bisherigen Bedingungen, auch für die Werkstattbeschäftigten, anordnet. Das ist auch im EVG-Forderungskatalog eine der Hauptforderungen. mobifair hofft, dass der angekündigte weitere Dialog der Verwaltung mit den Beschäftigten zur Einsicht führt, dass der Wettbewerb nicht auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgetragen werden darf.
„Wettbewerb um des Wettbewerbs willen kann nicht funktionieren. Es mag anfänglich billiger sein, aber die Einsparung bei sozialen Aspekten rächt sich immer, spätestens wenn es bei der Betriebsaufnahme an qualifiziertem Personal fehlt“, betont mobifair.
Auf der mobifair-Homepage gibt es mit dem Vergabekalender die Möglichkeit, sich über bevorstehende Ausschreibungen zu informieren. mobifair hat zudem einen Werkzeugkasten entwickelt, in dem viele Hilfsmittel enthalten sind, um sich gegen unfaire Vergaben zur Wehr zu setzen. Wer etwas erreichen will, muss sich frühzeitig kümmern, i.d.R. bereits fünf Jahre vor der geplanten Betriebsaufnahme.
Informiert euch auf der Homepage, schreibt eine Mail an ausschreibungen@mobifair.euoder ruft an: +49 69 2713996-6
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