Im Vergleich der westeuropäischen Länder in Sachen Mindestlohn liegt Deutschland nach dem neuen Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung weiter nur im unteren Bereich. Frankreich, Belgien oder Luxemburg zahlen wesentlich mehr – Luxemburg führt mit 11,55 Euro, in Frankreich liegt die Grenze bei 10 Euro. Auch wenn Deutschland – wie prognostiziert – künftig den Mindestlohn auf 9,19 Euro anheben sollte, bleibt damit nur ein hinterer Platz, denn in Westeuropa wird im Schnitt mehr als 9,40 Euro gezahlt. Weniger gibt es nur in Deutschland und Großbritannien (hier spielt nach Angaben der Experten die Abwertung des britischen Pfundes mit, real seien knapp zehn Euro anzusetzen).
Auch gelte für Deutschland, dass der Mindestlohn nicht einmal die Hälfte des Medianlohns erreiche und damit deutlich unter der Niedriglohnschwelle liege, so die WSI-Forscher. Im EU-Mittel gäbe es nominal kräftige Zuwächse, in Deutschland einen Reallohnverlust. 19 Staaten hätten kürzlich ihre Mindestlöhne angehoben. Nach Ansicht von Armutsforschern sollte ein Lohn der zum Leben reicht mindestens 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianlohns ausmachen. Da Deutschland das einzige EU-Land ist, in dem der Mindestlohn lediglich alle zwei Jahre angepasst wird, mussten zum Mindestlohn bezahlte Beschäftigte hierzulande zuletzt einen leichten Reallohnverlust hinnehmen.
„Bereits heute ist dabei absehbar, dass der deutsche Mindestlohn bei einem bloßen Nachvollzug der Tarifentwicklung nach wie vor deutlich unterhalb des Niveaus anderer westeuropäischer Staaten bleiben wird“, schreiben die WSI-Forscher. Deshalb sollte nach ihrer Ansicht „überlegt werden, ob die derzeit außerordentlich günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen nicht dafür genutzt werden können, um das niedrige deutsche Mindestlohnniveau über die normale Anpassung hinaus auch strukturell zu erhöhen.“