Das Thema „Tatort Führerstand“ hat den Bayerischen Landtag erreicht. Die SPD-Fraktion in Bayern hat zum Thema Sicherheit im Zugverkehr zwei Anträge eingereicht. mobifair leistete hierzu die Zuarbeit.
Ausschlaggebend für die Notwendigkeit der politischen Initiative war sicher das Ergebnis der Recherche „München-Nord“. Hier stellte mobifair eklatante Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz fest und bemängelte die Lokübergabe an „anonyme“ Personen. mobifair ermittelte, dass diese Zugfahrten im Güterverkehr von Nord nach Süd und umgekehrt keine Einzelfälle sind und immer wieder Lokführer von Personaldienstleistern am Führerstand anzutreffen sind, die sich nicht an Gesetze und Regeln halten. Zudem konnte mobifair im Bereich der Ausbildung der Lokführer ein reges Treiben mit „Bildungsgutscheinen“ feststellen, die zu einem Geschäftsmodell für nun über 130 Ausbildungsschulen führten. Da es keinen einheitlichen Rahmenlehrplan und keine zentrale Prüfungsdatenbank gibt, werden in Deutschland Lokführer mit sehr unterschiedlicher Qualität auf die Gleise geschickt. Ein gefährlicher Einsatz mit 2000 Tonnen am Zughaken und schlechter Ausbildung auf der Lok.
Die SPD-Fraktion im bayerischen Landtag nimmt mit ihren Anträgen diese kritischen Punkte auf. Der Antrag Sicherheit im Zugverkehr I – Einheitliche Ausbildung und Prüfung aller Lokführerinnen und Lokführern fordert:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Bundesrat initiativ zu werden, um eine Vereinheitlichung der Lokführerausbildung zu erreichen. Insbesondere muss es einheitliche Ausbildungsrichtlinien für Lokführerinnen und Lokführer geben sowie detaillierte Vorgaben und Voraussetzungen für Ausbildungsinstitute und Ausbilderinnen und Ausbilder. Weiterhin sind unabhängige und einheitliche Prüfungsvorgaben nötig sowie von den Ausbildungsinstituten unabhängige Prüferinnen und Prüfer. Die Triebfahrzeugführerscheinverordnung ist nicht ausreichend.
mobifair unterstützt diese Forderungen und geht noch ein paar Schritte weiter. In der Resolution – Faire Ausbildungsstandards für Lokführer, die auf der mobifair-Mitgliederversammlung 2017 beschlossen wurde, finden sich weitere Eckpunkte, um das hochwertige Berufsbild des Lokführers nicht zu schwächen und Sicherheitsrisiken zu minimieren.
Aktuell ist es möglich, und auch alltägliche Praxis, dass Lokführer in einer sogenannten Funktionsausbildung „schnellbesohlt“ werden. Diese Art der Ausbildung sollte nur noch in Ausnahmefällen, mit einer vorhergehenden Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes (EBA) möglich sein. Die nötigen bundeseinheitlichen Ausbildungs- und Prüfungsstandards müssen nicht nur eingeführt, sondern auch regelmäßig in den Ausbildungseinrichtungen durch das EBA überprüft werden, damit das repräsentative Niveau erhalten bleibt. Die Ausgabe des Triebfahrzeugführerscheins sollte erst nach dem Abschluss der gesamten Ausbildung mit der Abnahme mindestens einer Fahrzeugbaureihe und einer Infrastruktur ausgehändigt werden. Die Triebfahrzeugführerscheine und die Zusatzbescheinigungen müssen in einem zentralen Register gespeichert werden, damit eine bessere Transparenz und Kontrolle möglich ist. Außerdem ist eine Förderung der Ausbildung durch die Arbeitsagenturen erst sinnvoll, wenn vom Bewerber die Eignungsprüfung bestanden wurde und nach Absolvierung der einzelnen Qualifikationsbausteine.
Im zweiten Antrag der bayerischen SPD-Landtagsfraktion Sicherheit im Zugverkehr II – Umfangreichere Kontrollen und einheitliche Qualitätsstandards wird gefordert:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, für eine bessere Kontrolle im Schienenverkehr durch die Gewerbeaufsichtsämter zu sorgen. Dabei ist insbesondere ein Augenmerk auf die Kontrolle der eingesetzten Lokführerinnen und Lokführer, deren Qualifikation und Streckenkenntnis und ihrer Arbeitszeiten zu legen. Die Vorgaben hierbei sollen einheitlich sein für private und bundeseigene Eisenbahnunternehmen. Die Einführung von elektronischen Fahrzeitmessgeräten ist vorzusehen.
mobifair unterstützt auch diesen Antrag.
Die Problematik der Kontrolle durch das Eisenbahnbundesamt liegt wohl darin, dass mehr zugelassen wird, als letztendlich auch kontrolliert werden kann. Über 450 Eisenbahnverkehrsunternehmen, über 130 Schulen und über 250 vom EBA zugelassene Prüfer müssen auch begleitet werden, meint mobifair. Nur mit Dokumentenprüfungen wird das nicht länger funktionieren. Auch die für die Kontrolle der Arbeitszeiten zuständigen Gewerbeaufsichtsämter sind für dieses Kontrollvolumen schlichtweg unterbesetzt. Die Kontrollen müssen im Bereich der Arbeits- und Fahrzeiten auf der Lok verbessert werden. Ein digitales Kontrollgerät, wie es beim LKW eingesetzt wird, sollte einen besseren Überblick über die notwendigen Daten, wie z. B. Arbeitszeit, Eignung und Befähigung, verschaffen.
mobifair widmet sich dem Thema seit der Gründung des Vereins. Unzählige Recherchen und Analysen belegen mittlerweile deutlich, dass es keine Einzelfälle sind, wie gerne behauptet wird. Eine Anpassung der Triebfahrzeugführerscheinverordnung ist längst überfällig. Klarheit über die Zuständigkeit und Kapazitäten für nötige Kontrollen müssen geschaffen werden. Eine einheitliche Struktur ist Voraussetzung für einen sicheren Zugverkehr. Lokführer ist ein sicherheitsrelevanter Beruf, der geschützt werden muss und nicht aufgeweicht werden darf. „Es ist dringend Zeit die ständigen Rechtfertigungen in der Schublade zu lassen und zum Handeln aufzurufen“, fordert Helmut Diener, Vorsitzender des Vorstands von mobifair. „Die Bayern-SPD macht mit ihren Anträgen einen wichtigen Schritt und setzt gleichzeitig ein Zeichen. Die Politik muss sich diesem Thema annehmen und ihrer Verantwortung gerecht werden. Es ist doch nicht viel verlangt, wenn man eine sichere und faire Zugfahrt einfordert. Dazu gehört nun mal ein gut ausgebildetes Personal, ein zuverlässiges und ehrliches Unternehmen und eine Behörde, die alles überwachen kann. Nicht nur auf dem Papier.“