Skandalöse Zustände im „reichen“ Deutschland: Immer mehr Menschen müssen unterhalb der Armutsschwelle leben. Der aktuelle „Bericht zur Armutsentwicklung 2017“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands legt alarmierende Einzelheiten offen. Die Armutsquote in Deutschland ist danach auf einen neuen Rekordwert von 15,7 Prozent gestiegen. Nach Aussagen des Verbandes markiert dieser Höchstwert einen mehrjährigen Trend wachsender Armut. Rein rechnerisch leben damit 12,9 Millionen Menschen unterhalb der Einkommensuntergrenze.
Laut amtlicher Statistik liegt der in Euro ermittelte und als „Armutsgefährdungsschwelle“ bezeichnete Wert für Deutschland für einen Single bei 942 Euro und für einen Paarhaushalt mit zwei kleinen Kindern bei 1978 Euro. Für den Paritätischen bedeuten diese Zahlen allerdings bereits definitiv Armut, denn eine selbstverständliche Teilhabe an der Gesellschaft sei nicht mehr gegeben.
Den Erhebungen zugrunde liegen Daten von 2005 bis 2015, so dass erstmals ein Zehn-Jahres-Vergleich möglich wurde.
Bei allen bekannten Risikogruppen hat die Armut dem Bericht zufolge im Vergleich zum Vorjahr noch einmal zugenommen, alarmierend sei besonders in der Zehn-Jahres-Betrachtung die Entwicklung bei Rentnern mit einem Anstieg der Armutsquote um 49 Prozent seit 2005.
Auffällig sei auch ein Anstieg der Quote in den westdeutschen Bundesländern, während im Osten mit Ausnahme Berlins die Zahlen zurückgingen. Als besondere Problemregionen werden Nordrhein-Westfalen und Berlin bezeichnet.
Der Prozentsatz derjenigen, die trotz Erwerbstätigkeit unter der Einkommensarmutsgrenze leben, stieg seit 2005 von 7,3 auf 7,8 Prozent. Angesichts eines immer größeren Anteils der Bevölkerung, der schlicht abgehängt wird stellt der Verband die Frage, ob Deutschland überhaupt noch das Prädikat „soziale Marktwirtschaft“ für sich in Anspruch nehmen dürfe.
„Diese erschreckenden Zahlen sind das Ergebnis einer völlig verfehlten „Agenda“-Politik, die letztendlich künstlich die Arbeitslosigkeit senkte aber spürbar die Arbeit bestrafte.“ kommentiert mobifair-Vorstand Helmut Diener. „Man muss sich für die schämen, die immer noch meinen das war gut so. Also Ausbeutung ist in Ordnung“.
Spätestens mit dem jetzt vorliegenden Bericht wird klar, dass der „wirtschaftliche Erfolg“ eines Landes keinen positiven Einfluss auf die Armutsquote hat. Im Gegenteil, schreibt der Paritätische Verband, damit einher gingen zunehmende Ungleichheit und die Abkopplung von immer mehr Menschen.
Die Wohlfahrtsverbände fordern von der Politik einen rigorosen Kurswechsel in der Steuer- und Finanzpolitik, durchgreifende Reformen in der Alterssicherung, entschlossenes Handeln in der Arbeitsmarktpolitik, beim Wohnungsbau, in der Bildung und dem Ausbau sozialer Dienstleistungen. Dem schließen wir uns an.