Zwei Jahre nach dem Zugunglück im Bahnhof Mannheim hat vor dem Amtsgericht der Stadt der Prozess gegen den Lokführer begonnen. Der Vorwurf lautet „Gefährdung des Bahnverkehrs und fahrlässige Körperverletzung“.
Bei dem Unfall im August 2014 wurden vier Personen schwer und mehrere leicht verletzt, als ein Güterzug mit einem Eurocity der Deutschen Bahn kollidierte. Zwei mit über hundert Personen besetzte Waggons kippten um. Der Sachschaden betrug laut Eisenbahn-Bundesamt mehr als zwei Millionen Euro. Dem Lokführer wurde bereits kurz nach dem Unfall vorgeworfen, Signale falsch gedeutet und eigenmächtig die Zwangsbremsung aufgehoben zu haben. Außerdem habe er die vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht eingehalten.
Nach mobifair-Recherchen hat das derzeit übliche System von Werkverträgen und Auftragsvergaben dem Unglück Vorschub geleistet. Der Lokführer des unfallverursachenden Güterzuges in Mannheim sei Mitarbeiter eines Personaldienstleisters gewesen, eingesetzt von einem niederländischen Transportunternehmen auf einer geleasten österreichischen Lok, teilte Helmut Diener, Vorstand von mobifair, mit.
Mangelnde Streckenkenntnis trug nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Mannheim zum Unfall bei: der 62-Jährige habe sich an den links von seiner Fahrstrecke stehenden Signalen orientiert, heißt es in der Anklage. In diesem Bereich des Mannheimer Bahnhofes seien jedoch – anders als auf der freien Strecke – die auf der rechten Seite befindlichen Signale maßgeblich. Deshalb sei der Lokführer mit Blick nach links davon ausgegangen, dass er freie Fahrt habe. Dadurch habe er das für ihn geltende rechte Haltesignal überfahren. Die dann von der Technik ausgelöste Zwangsbremsung des Zuges habe er durch zweimaliges Drücken der „Frei-Taste“ aufgehoben und zudem zwei weitere Haltesignale nicht beachtet, so das EBA.
mobifair und die Gewerkschaft EVG beklagen außerdem vor allem fehlende Kontrollen und enormen Wettbewerbsdruck, die solche Konstellationen wie in Mannheim erst ermöglichen. „Die wahrhaft Verantwortlichen sind schwer auszumachen“, sagt Helmut Diener. Außerdem seien die Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Die Befähigung und Streckenkenntnis von so genannten „Leihlokführern“ oder „selbstständigen“ Lokführern werde nicht ausreichend überprüft.