22. Juni 2012 – Ein beeindruckendes Referat von Rudolf Martens von der Paritätischen Forschungsstelle, der erschreckende Zahlen über die Armut in Deutschland vorlegte, war einer der Schwerpunkte der Beiratssitzung von mobifair. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Verleihung des Fairnesspreises an Peter Struck.
Der Politiker wurde für seine Rolle als Schlichter im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn und dem damit verbundenen Abschluss eines Branchentarifvertrages für die Schiene ausgezeichnet. Reiner Bieck, Vorstandsmitglied der EVG, sprach in seiner Laudatio davon, dass nur eine besondere Persönlichkeit mit Erfahrung und Menschenkenntnis wie Dr. Peter Struck in der damaligen schwierigen Situation die Verhandlungen über den Branchentarifvertrag zu einem erfolgreichen Abschluss hätte bringen können. „Es war allen Beteiligten klar: Dem Schlichter ging es um das Ergebnis. Ihm war das Fleisch auf dem Teller wichtig, nicht die Blümchen auf der Tischdecke”, sagte er. Mit dem Abschluss des Branchentarifvertrages sei der Grundstein gelegt worden für einen gesunden und fairen Wettbewerb im Schienenbereich. Der Fairnesspreis von mobifair würdige diese Leistung.
Jörg Krüger, erster Vorsitzender von mobifair, sagte, der Verein sehe es nicht nur als seine Aufgabe an, im Verkehrsbereich Missstände zu recherchieren, Fehlentwicklungen aufzudecken und diese auch zur Anzeige zu bringen. Gleichermaßen sei es wichtig, die „Guten” in verschiedenster Weise hervorzuheben. In vielen Bereichen der Mobilitätswirtschaft sei der Grat zwischen auskömmlicher und prekärer Arbeit sehr schmal.
Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, in Armut abzurutschen, zeigte auf eindrucksvolle Weise das Referat von Dr. Rudolf Martens, Leiter der Paritätischen Forschungsstelle. Seine Ausführungen und die vorgelegten Zahlen und Fakten sorgten im Anschluss für eine lebhafte Diskussion unter den Teilnehmern der Beiratssitzung. Jeder siebte, so Martens, insgesamt zwölf Millionen Menschen, sei in Deutschland von Armut bedroht. Die Armutsgefährdungsquote liege deutschlandweit bei 14,5 Prozent. Deutliche Unterschiede bestehen nach seinen Angaben zwischen den einzelnen Bundesländern, im Süden der Republik liegen die Zahlen niedriger, im Osten meist höher. So ist Mecklenburg-Vorpommern mit 22,4 Prozent in dieser Statistik trauriger Spitzenreiter. Gefährdet seien besonders Alleinerziehende im Osten, hier drohe auch in wenigen Jahren eine Rentnerarmut.
Überdeutlich wurde allerdings, dass es seit 1998 eine deutliche Zunahme der Armutsgefährdung in allen erfassten Gruppen gibt. „Trotz Wirtschaftsboom und Exportweltmeister steigen die Armutsquoten”, so Martens. Die Schere zwischen Löhnen – die immer weiter absinken – und dem BIP klafft seit der Jahrtausendwende immer stärker. „Seit es politischer Wille war, einen Niedriglohnsektor zu schaffen”, erläuterte er, „steigt die Armutsquote immer steiler an”. Die Exportüberschüsse seien durch Dumpinglöhne möglich geworden meint der Experte und warnt vor einem „Massenphänomen Armut”.