12. August 2011 – Es bleibt dabei: Bei Ausschreibungen können die Vergabestellen (Aufgabenträger) die Zahlung bestimmter Tarife (zum Beispiel Branchentarifvertrag) zur Verpflichtung machen. Alle anderen Argumentationen sind falsch.
Die Grundlage für Auftragsvergaben bleibt weiter der § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder der Art. 5 Abs. 5 der EU-Verordnung 1370/2007, wie mobifair-Geschäftsführer Helmut Diener deutlich macht. In Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Wolfgang Trautner, Lehrbeauftragter für Vergaberecht an der Technischen Hochschule Mittelhessen, legt mobifair nun eine „Argumentationshilfe“ vor gegen die typischen Einwände der Dumpingaufgabenträger, wenn es um die Berechtigung der Forderung nach Tariftreueerklärungen und anderen sozialen Standards in Vergabeverfahren im SPNV/ÖPNV-Bereich geht.
„Die Ausarbeitung ist das Ergebnis einer sachkundigen Prüfung der ständigen fadenscheinigen Argumente von Auftraggebern, die stur und ewig gestrig den Raubbau von Sozialstandards fördern“, erläutert Diener. Er wendet sich an alle, die immer wieder das Rüffert-Urteil zitieren: „In Ausschreibungen für SPNV-Leistungen sind die sich aus der Rüffert-Rechtsprechung ergebenden Anforderungen eben nicht zu beachten.“
Die Argumentationshilfe soll, so Diener, „den Münchhausen-Sprüchen begegnen, die auch durch ständige Wiederholungen nicht richtig werden.“ Die Argumente der „Sozialgegner“ reichten von der Feststellung, dass nationales Recht dem europäischen Recht vorgehe über die Aussagen, dass die Zuständigkeit fehle, die Tarifparteien zuständig seien, es keinen Branchentarifvertrag (obwohl abgeschlossen) gäbe, die Allgemeinverbindlichkeit fehle, der § 97 im GWB und die EU-Verordnung nicht rechtssicher seien, bis hin zu der Behauptung, dass eine Tariftreueerklärungen rechtswidrig ist.
Die Argumentationshilfe hält dagegen. Hier einige Auszüge:
Zum § 97 Abs. 4 des GWB
- Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes als auch nach den europäischen Richtlinienvorgaben sollen die zusätzlichen Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages gerade soziale Aspekte betreffen können.
- Ein Tariftreueverlangen ist damit als auftragsbezogene soziale Anforderung anzusehen.
- Daher hält das Bundesverfassungsgericht Tarifklauseln für verfassungsgemäß.
- Denn die Beachtung eines Mindestentgelts im Rahmen eines konkreten Auftragsverhältnisses dient sowohl der Durchsetzung der Arbeitnehmermotivation als auch der Qualitätssicherung der Arbeitsergebnisse.
Zum Art. 4 Abs. 5 VO (EG) 1370/2007
- Die Vergabestelle kann den Übergang aller betroffenen Arbeitsverhältnisse selbst anordnen.
- Ein betroffenes Unternehmen kann verpflichtet werden, die Belegschaft des bisherigen Dienstleistungserbringers zu übernehmen und darüber hinaus zu beschränken eigene Arbeitnehmer zu geringeren Lohnkosten zu beschäftigen.
- Vergabestellen haben die Möglichkeit, den Bewerber zur Einhaltung von bestimmten Sozialstandards zu verpflichten.
- Der Artikel 4 Abs. 5 der VO (EG) 1370/2007 ist eine Ermächtigungsgrundlage für eine Tariftreue.
Nicht vergessen werden darf auch die Grundrechte-Charta der EU zum Thema gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen hat. Ebenso auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Urlaub.
Die Argumentationshilfe wird mobifair in Kürze veröffentlichen.